Das dämlichste Souvenir überhaupt


Steine, Sand, Muscheln, Pflanzen-Samen, Kitsch und Kunst. Devotionalien mannigfaltigster Art. Es gibt genügend Möglichkeiten sich materiell manifestierte Erinnerungen aus einem Urlaubsland mit nach Hause zu nehmen.
Leider gibt es aber auch weniger schöne Mitbringsel: lebendige Krabbeltiere im Koffer, Bakterien oder Viren, die nach einer gewissen Inkubations-Zeit den eigenen Körper zuhause lahm legen ... oder ... Verletzungen, die man sich während einer Reise zuzieht und die einen im schlimmsten Fall ein Leben lang um die Welt begleiten werden. Ein Bänderriss gilt als klassisches Andenken an den Skiurlaub.
Was ich mir an bleibender Erinnerung aus Uganda mitgebracht habe, uns wie es dazu kam? Lese bitte, und bedauere mich.
Schlaglöcher
Auf Ugandas Straßen wird man ganz schön durchgeschüttelt. Das Gerüttel hat mir blaue Flecken an allen möglichen und unmöglichen Körperstellen verpasst. Alles nur halb so wild und ein verhältnismäßiges kleines Opfer für die großartigen Eindrücke und wunderbaren Safaris in diesem Land.



Pipi unter Hyänen-Aufsicht
Bei einer der nun einmal aus menschlichen Gründen notwendigen Pausen, inmitten von Nirgendwo, befinde ich mich in unmissverständlicher Haltung, mit heruntergelassenen Hosen hinter dem Jeep und beobachte versonnen das kleine Rinnsal (Entschuldigung für das plastische Bild) in der roten Erde, als ich ein ungewohntes Geräusch höre. Ich blicke auf. Wenige Meter vor mir wollte eine Hyäne offensichtlich die Piste überqueren, und war mitten auf dem Weg stehengeblieben. Interessiert blickt sie in meine Richtung. Sie scheint hin und hergerissen zwischen abhauen und näherkommen. Ich bin hin und hergerissen zwischen ohnmächtig kopfüber in den Staub zu sinken und mit dem Hosenbund um die Knöchel Richtung Auto-Tür zu flüchten. Das unproportioniert wirkende Raubtier nimmt mir die Entscheidung ab und verschwindet wieder im hohen Gras. Hektisch erledige ich was noch zu erledigen ist, und hechte aufgeregt ins sichere Fahrzeug. Diese Begegnung hätte eine sehr unschöne Wendung nehmen können. Glück gehabt, nichts passiert.



Makara beschützt seine Familie
Tage später, als wir endlich Familie Habinyanja aufgespürt haben, macht uns das Familienoberhaupt, Makara, durch mehrere (Schein-) Angriffe klar, was er von der Anwesenheit der sechsköpfigen Touristengruppe in seinem Revier hält. Der Silberrücken pflückt in einem Moment noch mit spitzen Fingern kleine grüne Blättchen im Kreis seiner Gorilla Familie von einem Busch, und kaut gemütlich, um dann im nächsten Moment aufzuspringen, laut brüllend und Blattwerk werfend auf uns zu zurasen. Vor Schock ganz starr und des Reagierens oder Denkens unfähig, realisiere ich erst später, dass dieses Gorilla-Tracking keine ganz ungefährliche Sache ist. Hätte Makara an dem Tag schlechte Laune gehabt, und hätte er nicht ungefähr einen Meter vor uns auf dem Absatz kehrt gemacht, wäre es kein Problem für ihn gewesen ein paar Touristen-Knochen zu brechen. Hätte, wäre, Fahrradkette. Glück gehabt, nichts passiert.



Hasch mich, ich bin kein Nashorn
Im Rhino Sanctuary in Ziwa stapfe ich im mannshohen Gras einem Guide hinterher. Wir sind auf der Suche nach Nashörnern. Ich erwarte irgendwann an diesem Tag, irgendwo am Horizont unter einer Akazie eins der seltenen Exemplare zu erblicken. Geduldig biege ich Grashalme zur Seite und folge dem Ranger auf dem Fuß. Er bleibt abrupt stehen und geht einen Schritt zur Seite. Da ist es. Das Rhino. Fünf Meter vor mir. Es äst gemütlich und blickt erst auf, als es das Geräusch einer weglaufenden Touristin hört. Behände setzt sich das 800kg Nashorn in Bewegung. Mir hinterher. Der Guide ist leicht genervt, schließlich lautete das Briefing „Niemals vor einem wilden Tier weglaufen. Du wirst dieses Wettrennen verlieren. Immer die Ruhe bewahren.“. „Hide behind a Tree.“ ruft er dem Nashorn und mir hinterher. Witzbold. Wen meint er? Das Nashorn? Mich? Und hinter welchem Baum soll ich mich verstecken? Die sind maximal armdick. Orientierungslos bleibe ich einen Moment stehen. Und prompt bleibt das Tier stehen. Ah, das ist also der Trick. Glück gehabt, nichts passiert.



Traue keiner Pfütze
Vor meinem Nachhause-Flug sitze ich tiefenentspannt, und gedanklich in abenteuerlichen Erinnerungen schwelgend auf der Terrasse eines Guesthouse in Entebbe. Regenwolken entleeren sich still über dem Victoria-See.
Dann ist der da, dieser unvermeidliche Moment. Das bestellte Taxi biegt in die Einfahrt ein. Wehmütig greife ich meine kleine Reisetasche, um die Fahrt zum Flughafen anzutreten. Nach zwei Schritten rutsche ich in einer Pfütze aus. Filmreife schlittere ich um Balance ringend auf den wartenden Taxifahrer zu. Mit lautem Autsch verliere ich den Kampf ums Gleichgewicht und lande unsanft auf meiner rechten Seite. Die Reisetasche immer noch im Griff. Mein lieber Abholer ist mit einem Satz bei mir, um mir auf zu helfen. „Are you OK?“ Ich lächele ihn gequält an „I am OK. I am OK.“. Das ist glatt gelogen. Mein rechter Arm schmerzt und nach wenigen Minuten hat sich eine fette Beule auf dem Unterarm gebildet. „You wanna go Hospital?“ „No, no. To the airport, please.“ So sehr ich Uganda auch liebe. Ins Krankenhaus möchte ich hier bitte nicht.
Stunden später, nach einer Zwischenlandung in Dubai, hat Hessen mich wieder. Vom Flughafen Frankfurt steuere ich ohne Umwege das nächste Krankenhaus an. Diagnose „Handgelenk gebrochen.“ Doof. Saudoof. Zwei Tage später ist der Bruch operiert, und eine fette Narbe ziert mein Handgelenk.



Das ist wirklich das dämlichste Souvenir überhaupt.
Und trotzdem: Glück gehabt. Es hätte auch mein Schädel oder ein Wirbel sein können. Hätte, wäre, Fahrradkette.
Ist dir sowas auch schonmal passiert? Hast du auch eine "bleibende Erinnerung" an eine Reise?


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